WM Vilamoura – Tag 14: heiß und langwierig…
…so können wir die letzten zwei Tage zusammen fassen.
In Ermangelung aktueller Bilder heute mehr Worte als Bilder.
Gestern haben die 256 WM-Teilnehmer die letzten beiden Qualifikationsrennen beendet. Der Tag begann nicht ganz unerwartet mit einer Startverschiebung. Die wurde allerdings schier unerträglich, als der anfängliche Regen mit Flaute einer sengenden Sonne mit Flaute wich. Mit einer gigantischen Wassermelone und einem Kartenspiel, das den Namen des Allerwertesten trägt, konnten wir wenigstens einen Teil der Wartezeit überbrücken. Gegen 14 Uhr ging es dann endlich los, mit 8-12 Knoten aus südwestlichen Richtungen ein schon bekanntes, aber nicht unbedingt durchschaubares Spiel.
Adrian ist auf dieser WM bis jetzt unser Super-Startfahrer. So auch gestern. In beiden Wettfahrten kommt er wieder prima weg und kann das Spiel dann sozusagen von vorne mitbestimmen. Am Ende des Tages verbucht er mit einem 4. und einem 9. Rang erneut zwei Top10-Plätze – leider erweist sich der 9. als eine Disqualifikation wegen Frühstarts. Aber nicht getrauert, denn Frühstart hin oder her: der Bursche macht gerade ziemlich viel richtig da draußen auf dem Wasser. Heute am ersten Finaltag der WM legt er gleich nochmal einen 3. und einen 4. Platz nach und ist damit derzeit 4. im Zwischenklassement. Gern einmal vor dem Computer klatschen, das ist wirklich eine grandiose Leistung! Wo immer das auch am Ende hinführen mag, die bisherigen Wettfahrten hat er einfach souverän gemeistert!
Roko hatte gestern keinen schlechten, aber auch keinen guten Tag. Ein Start in der zweiten Linie heißt hier, alle strategischen Entscheidungen aus der Hand zu geben. Roko rettet mit mäßigem Start in der ersten WF noch einen 14. Platz ins Ziel und legt mit einem guten Start in der zweiten Wettfahrt einen 5. Platz nach. Also Anschluss nach vorn gehalten, alle Optionen für offen. Aber heute am ersten Finaltag war der Wurm drin. Nach einem Start aus der zweiten Linie in der Goldfleet ist bei der engen Leistungsdichte nicht viel zu machen – sicherlich nicht, wenn die Zielkreuz zum Anlieger wird – Feierabend, Platz 47. Zweite Wettfahrt wieder ein prima Start, aber jetzt zeigt der Wurm sein wahres Gesicht: zwei Strafkringel vor der Luvtonne wegen einer unbeabsichtigten Wegerechtsverletzung – ein Flüchtigkeitsfehler sozusagen – und noch zwei Strafkringel auf dem Vorwindkurs – Doppelfehler sozusagen. Am Ende dieser Wettfahrt bleibt ein 32. Platz und am Ende des Tages bleibt tiefe Enttäuschung über eigene Fehler, in die Ferne gerückte Erwartungen und eine tiefe Ermattung. Es hilft nur noch eines: schlafen! Mit noch 4 Wettfahrten vor der Nase liegt Roko jetzt auf dem 22. Platz im Zwischenklassement. Die Punkte nach vorn sind eng, nach hinten aber auch. Also morgen ran an den Speck!
Krissi ist der Flummi der letzten zwei Tage: nach einem eher ernüchternden Start in die Serie tütet er gestern mit einem 11. und 5. Platz die Qualifikation für die Goldfleet ganz geschmeidig ein. Und woran hat es gelegen? Der aufmerksame Leser ahnt es schon…ja, die Starts. Die waren richtig gut, und dann musste unser Benjamin ja „nur noch“ vorne mitpendeln…Ja, so einfach ist´s natürlich nicht, aber so ähnlich. Und jetzt kommt es ganz überraschend: die erste Wettfahrt heute in der Goldfleet wird ein 39., weil….der Start nicht dolle war. Hm, wir erkennen einen roten Faden. Dann noch Rechtsdreher auf der linken Seite abwarten – hilft auch nicht wirklich. Mit einem 7.Platz in der zweiten Final-WF bounct er aber wieder hoch, liegt jetzt insgesamt auf Platz 37 und hat in den letzten 4 WF mal eben knapp 30 Plätze gut gemacht.
Valentin, ja Valentin…der beeindruckt gestern mit den Plätzen 1 und 8 und katapultiert sich damit 20 Plätze im Zwischenklassement nach vorn. Endlich, endlich den „an“-Knopf gefunden, so fühlt sich das an. An den Starts hat es wieder gelegen, „ich bin einfach wieder da“. Das hören wir gern! Und heute, ja heute doch wieder zu verhalten im Start, dazu weniger Wind und die höhere Leistungsdichte in der Goldgruppe: da werden verpasste Dreher hart bestraft. Der Bursche nimmt es soweit wie möglich gelassen, morgen geht es weiter und in 4 Wettfahrten kann noch so viel passieren. Ich finde das eine bewundernswerte Einstellung und mit eben dieser sowie einem gewissenhaften Plan für morgen drücken wir die Daumen, dass Vali den „an“-Schalter nochmals findet.
Und bei Leo kam es anders als gedacht und anzunehmen war. Der hatte sich gestern vorgenommen, den Einzug in die Goldgruppe zu verteidigen, und dann kriegt er zu später Stunde den wohl heftigsten Klopper seiner sportlichen Laufbahn zu verkraften. Und das ging so: in der 5. WF kommt er verhalten aus dem Start, und beim Freiwenden tuschiert er das Heck eines Belgiers – keine große Sache. Ganz klar auch keine korrekte Sache, aber vielleicht vergleichbar mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Auch die ist nicht richtig, viele machen sich ihrer schuldig, einige werden ertappt und müssen Strafe zahlen. Der Belgier findet die Sache offensichtlich groß genug für einen Protest, obwohl beide ihren Streicher in der Wettfahrt segeln. Auch das ist ok, Leo macht keine große Sache draus und will sich aus dem Rennen zurückziehen. Und dann wird es auf einmal wirr: Teamleader sitzt noch in einer IODA-Versammlung, Trainer noch auf dem Motorboot, Leo wird zur Jury zitiert und bevor wir mit den Augen klappern können geht es los mit der Verhandlung. Ja, sagt Leo, ist alles richtig, war nicht ok von mir. Die Jury braucht lange, lange, um eine scheinbar einfache Entscheidung zu treffen. Die da aber – nicht nur für Leo und uns alle – völlig überraschend lautet: DNE, also eine Disqualifikation besonderer Schwere, denn sie kann nicht gestrichen werden. Wie bitte??? Eine einfache Disqualifikation stünde angesichts der Unschwere des Vergehens eher im Verhältnis.
Als wir endlich um 21:30 Uhr zum Essen kommen, sind alle im Team geschockt. Zum Einen hat Leo mit einem 17. Platz in der 6. WF den Einzug in die Goldgruppe verpasst, damit hatten wir nicht gerechnet. Zum Anderen -obendrauf- der Klopper mit dem DNE, der ihn irgendwo in der Mitte der Silberfleet abrutschen lässt. Das mit dem DNE geht so nicht, das müssen wir morgen nachfragen. Tun wir auch, und hören die Erklärung der Jury: wenn ein Kind Weltmeister wird, dann fragt auch keiner mehr nach dem Alter; hier werden alle wie Erwachsene behandelt und Leo hätte wissen müssen, dass er gar nicht in die Verhandlung hätte gehen dürfen sondern die Wettfahrt im Nachhinein hätte aufgeben müssen. Aha, und nein, dem können wir nicht zustimmen. Den Teilnehmer einer Jüngstenweltmeisterschaft will ich kennenlernen, der die Wettfahrtregeln so auswendig kennt. Dafür sind Trainer und Teamleader da, und die waren anderweitig – Sitzung und letzte Optis um 20 Uhr vom Wasser geleiten – beschäftigt. Und nein, wir finden, dass Opti-Weltmeister immer noch Kinder sind – Titel hin oder her – und auch als solche zu behandeln sind. Wir müssen damit leben, dass die Jury sich für uns viel Zeit nimmt und uns aufrichtig zu erklären versucht, warum sie so entschieden hat. Die Entscheidung sei auch für sie sehr schwierig gewesen. Aha. Gut. Schraler Trost, aber immerhin. Fakt ist: wir haben tonnenweise gelernt und sind für die nächsten Tage gewarnt.
Verständlicherweise hält sich Leos Motivation heute morgen in bescheidenen Grenzen, aber er macht aus dem Tag, was in seiner Macht steht. Die Teamwertung ist noch zu retten, und da wird er seinen Teil zu beitragen – so ist es beschlossen. Es gibt nicht viele Nationen, die 4 Leut´ in der Goldfleet haben und einen in der Silberfleet. Leo zeigt seine Teamplayer-Qualitäten und macht heute 20 Plätze im Gesamtklassement gut. Holla-die-Waldfee! Wenn es einen Preis für den besten Wieder-Aufsteher aus dem Tal der Tränen gibt, dann hat er ihn verdient.
Wir danken dem geneigten Leser für sein offensichtlich geduldiges Interesse – immerhin ist er bis hierher gekommen. Es gäbe noch so viel mehr Erstaunliches, Erquickliches, Wunderliches und Witziges zu berichten. Aber der Autorin fallen nun die Augen zu.
Morgen mehr Bilder, versprochen!
Müde und verbrannte Grüße aus Vilamoura
Hier die Zwischenergenisliste von Mittwoch, 29. Juni 2016